Gastkolumne Arno von Rosen:Eine leise Legende.....................

Arno v. Rosen
Zuerst bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir so gründlich jegliches Aufschauen zu anderen Menschen ausgetrieben haben, dass selbst sie zu Opfern dieser Erziehung geworden sind. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich habe vor jedem Menschen Respekt, ob Putzfrau oder Milliartär, aber meine Anerkennung muss sauer verdient werden und dieses haben bisher nur sehr wenige geschafft. Natürlich fallen dadurch Idole, Halbgötter und selbsternannte Koryphäen für mich aus, was ebenso Legenden durch der Presse Gnaden betrifft. Aber ein Mensch hat es geschafft sich diesen Status bei mir zu verdienen. #Michael_Schumacher......... "Ja klar", werden Sie jetzt denken. "Ist doch echter Mainstream, schließlich hat der Mann sieben Formel 1 Weltmeisterschaften gewonnen." Nun, dieses ist hinlänglich bekannt und es lohnt nicht über diese Leistung viele Worte zu schreiben, denn sie steht außer Frage, genau wie die vielen Rekorde die der Mann aus dem beschaulichen Kerpen hält. Um zu erklären warum ausgerechnet Michael Schumacher eine Ausnahme für mich ist, muss ich weiter ausholen.

Mit 12 Jahren sitzt ein kleiner Junge aus dem Hessenland auf einer Alm im österreichischen Kärnten fest. Das Wetter ist regnerisch, die Tochter des Hofes hat zu tun, die jüngeren Geschwister sind bei den Eltern und auf Geheiß des Bauern sehe ich mir Regenbogenfernsehen an, welches es damals in Österreich bei schlechtem Wetter gab. Da der Kinderfilm langweilig ist, schalte ich um und …, dort läuft ein Autorennen. Sofort gefällt mir die Atmosphäre um die F1 Boliden, weil sie mich an den Film "Das große Rennen rund um die Welt" erinnert. Immer wieder taucht ein heiser geschriener Name im Kommentar auf – Nikki Lauda. Ich bekomme eine Gänsehaut, die bis zum Ende des Spektakels anhält, wie ein Virus der mich infiziert hat.

Ab diesem Tag im Jahr 1977 sehe ich soviel von der Formel 1 wie ich nur kann. Zunächst schwierig, denn diese Rennen haben bei den Öffentlich-Rechtlichen keinen großen Stellenwert und andere Sender gab es da noch lange nicht. So vertiefe ich mich in die Fahrer, die Teams von Lotus, Brabham, Williams und natürlich Ferrari. Was mir damals widersinnig erscheint ist die Tatsache, dass so viele Fahrer ihr Leben lassen. Meine kindliche Erklärung heißt. "Es muss so viel Spaß machen, dass sich der Tod dafür lohnt", sonst würden diese Männer nicht einsteigen. Dann kommt die Ära Senna/ Prost und ihre wirklich grenzwertig geführten Duelle. Längst ist Motorsport im TV ein fester Bestandteil und auch andere Serien wie die DTM haben einen Platz in meinem Leben, und dann taucht dort ein junger Mann mit markantem Kinn auf, der seine Kommentare in schönstem Dialekt fröhlich grinsend in die Kamera spricht. Der Rennfahrer Schumacher ist für mich geboren, geht zu den Sportwagen und wird Weltmeister. Meine Erkenntnis über diesen Erfolg ist, je mehr Speed, desto größer seine Fähigkeiten.

In einer Nacht und Nebelaktion und mit Zwischenverkauf an Benetton kommt Michael in die F1, nicht ohne seinen damaligen Teamkollegen zu brüskieren, in dem der Novize bei den Rennboliden von Anfang an schneller ist, erheblich schneller. Spa in Belgien beginnt das Wohnzimmer zu werden, obwohl nach Startplatz 5 sofort der technische Ausfall nach ein paar Metern folgt. Ich bin aufgeregt, denn der Mann hat das größte Potential seit Stefan Bellhof, der in Spa tödlich verunglückt war. Ich warte auf den Tag an dem sich Schumacher mit Senner messen kann, für mich die beiden besten Rennfahrer, die es je gegeben hat. Die Zeit kommt und Ayrton spürt den Druck den Michael macht und die Saison 1994 wird nun endlich meinen ersehnten Wettstreit bringen. Dann kommt der 1. Mai, fest gebrannt in meinem Gedächtnis, für immer. Der König der F1, Ayrton Senna, ist tot. Gestorben in der legendären Tamburello Kurve in Imola bei 300 Kilometern in der Stunde. Ich weine sofort, leise, ohne Schluchzen. Nie hat mich etwas im TV so berührt. Ich will den Rennabbruch, aber er kommt nicht. Erstarrt bleibe ich sitzen. Etwas an meinem Gefühl für diesen Sport ist ebenso in mir gestorben, wie Senna in seinem Williams Rennwagen. 

Die Siegerehrung ist vorbei. Schumacher gewinnt vor Larini und Hakkinen. Niemand hatte den Fahrern erzählt wie es um Ayrton stand. Am Ende der Saison wird Michael das erste Mal Weltmeister und er weint. Wer den Kerpener lange intensiv beobachtet hatte wusste, dass es keine Freudentränen waren, denn er ist eigentlich eine Frohnatur. Nein, dass Gedenken an Senna löste die längst fällige Trauer aus. Ausgerechnet in der Öffentlichkeit, der Michael stets nur den beherrschten und talentierten Menschen präsentierte.

Dieses Ereignis war ausschlaggebend dafür, dass ich die Karriere von Michael Schumacher weiter verfolgte. Siege folgten, Teamkollegen kamen, und gingen auch wieder, schnellste Runden, Pole Positions, spektakuläre Überholmanöver – Schumi, der Regengott! Und dann? Fast sofort zeigte sich eine starke Gegenbewegung zum neuen König der F1. Angebliche Steuerflucht in die Schweiz, gerne testierte Arroganz, Überheblichkeit, falscher Ehrgeiz oder unfaire Manöver auf der Rennstrecke. Ich bin fassungslos, denn ich kenne den Rennzirkus lange genug um zu wissen, dass diese Vorwürfe kompletter Unsinn sind. 

Beinharte Fahrer wie Lauda, Jacky Steward oder Nigel Mansell kommen aus dem Staunen über die Unwissenheit der Massen gar nicht mehr raus, so denke ich es mir wenigstens, denn Schumacher ist einer der Antreiber der Serie, der den Sport attraktiv aber sicherer gestalten möchte. Er hat gelernt mit der Öffentlichkeit und der Presse zu leben und schirmt sich ab, komplett. Über seine Familie erfährt man so gut wie nichts und Interviews gibt er fast nur auf der Rennstrecke. Am liebsten ist er unter Freunden auf dem Fußballplatz. Wieder gibt es nur zwei Fraktionen. Seine Fans und alle anderen. Dazwischen gibt es höchstens Menschen denen Rennsport völlig egal ist, weil es sich dabei um Idioten handelt die ihr Leben riskieren um im Kreis zu fahren. Ein Grund, der auch so manchen F1 Piloten zum aufhören bewegt hat.

Warum ist also Michael Schumacher eine Legende? Anders als Becker, Beckenbauer & Co? Weil er leise ist. Im Stillen hilft, ohne Presse und den "schaut alle was für ein guter Mensch ich bin" Zeitungsartikel. Kein Rumtreiber im Blitzlichtgewitter, wie auch so viele seiner heutigen Kollegen. Kein Schaumann für die Massen, wie eine Trophäe die sich selber zu Markte trägt. Seine Werbepartner und Sponsoren sind ebenso unspektakulär wie die Auftritte des Herrn Schumacher. Rolli und Jeans eben. Nie trägt er Brillanten im Ohr, lässt sich großflächig tätowieren, hängt an Jetset Plätzen rum. Er wollte immer nur Rennen fahren. Mit Leidenschaft, Fleiß, Akrebi und Teamgeist. Ein Macher unter Machern, kein Befehlsgeber, kein Denunziant wenn etwas schief läuft und die Presse mal wieder auf Angriff schaltet. Er gibt Respekt und wenn er diesen nicht bekommt, treten Falten auf seine Stirn und sein Mund wird schmallippig. Mehr jedoch ist selten, denn er ist kein Lautsprecher. 

Michael war immer der viel zu früh erwachsen gewordene Kartfahrer, der sich nicht damit abgefunden hat, gegen besseres Material zu verlieren, wenn man seine Möglichkeiten nur voll ausnutzen muss, und das tat er, immer. Auch 1994 gewann er den Titel mit unterlegenem Material und brachte sogar eine dreirädrige rote Diva wieder ans Laufen, natürlich mit dem ganzen Team, nicht alleine. Alle bei Ferrari wissen was Michael geleistet hat und so mancher erbitterte Rennrivale, der später Weltmeister wurde und dann versuchte ein Team zur Weltmeisterschaft zu führen musste erfahren, dass nur ganz wenigen vorbehalten ist dieses zu schaffen. Anerkennung der Leistung von Schumacher war die Folge, wenn auch manchmal erst nach Jahren. Wenn wir heute so zufrieden auf die F1 und ihre sehr guten Piloten aus Deutschland schauen, vergessen wir schnell, dass Schumacher den Weg für alle geebnet hat und das diese Piloten wieder sicher nach dem Rennen nach Hause fahren können, weil der siebenfache Formel 1 Weltmeister diese Rennklasse sicherer gemacht hat.

 Michael Schuhmacher
Zeichnung von Arno von Rosen
Genau diese leise Hingabe an seinen Sport, seine Familie, seine Freunde und die Bescheidenheit machen diesen Mann zu einer leisen Legende. Er könnte sich alles leisten und jedem noch so teurem Hobby frönen, aber … er tut es eben nicht, hat es nie getan. Das macht für mich einen Menschen aus, zu dem ich aufschauen kann und mag, aber nicht muss, weil es ihm nicht wichtig wäre und er es nicht wollen würde. Aus diesen Gründen werde ich mich an keinen Spekulationen über seinem Gesundheitszustand beteiligen und auch nicht über seinen Rennen fahrenden Sohn schreiben, der von den Medien umlagert wird, als ob ein ausgestorbener Flugsaurier aus einem Rennei geschlüpft wäre. Aus Respekt. Für Michael galt, was Ayrton einmal so treffend formulierte, "Race is in my Blood".

Es grüßt Sie Ihr demütiger Arno von Rosen, Buchautor, Kolumnist, Beobachter der Stille und Genießer eines ordentlichen Motorengeheuls. Bleiben Sie gesund, interessiert, unvoreingenommen und dankbar für alles was Sie haben!

Mein besonderer Dank gilt #Sabine_Kehm, der Managerin von Michael Schumacher, die meinen Artikel frei gegeben hat und dem Management der DVAG, die mir erlaubt hat die Bilder der MS Ausstellung in Marburg frei zu verwenden.

Fotos: Arno von Rosen


7 Kommentare:

  1. Er bleibt für mich ein Held, eine legende ein großartiger Mensch und Sportler,
    Wünsche Ihm und seine Familie weiter viel Kraft, Geduld und Freude an das was kommt.
    Merci mon Baron

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    1. Merci mon cher Lilian, ich schließe mich Deinen Worten an <3

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  2. Ein wunderbarer, respektvoller Artikel, der fast mehr über den Autor aussagt als über Michael Schuhmacher. :)

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  3. Lieber Arno,
    ein großartiger Artikel, in dem es Dir gelungen ist, etwas über den Menschen Schumacher und Deine Verbindung zu ihm aufzuzeigen. Du hast uns kompakt, mit Achtung und Respekt gezeigt, dass seine Leistung weit über die als Rennfahrer hinaus gegangen ist! Natürlich wird er nie mehr so wie vorher sein können, aber wir alle sind einem Wandel unterzogen... Das Innerste eines Menschen aber, seine Grundeinstellung und sein Wille wird uns, so wie er war, auch Dank Deiner sensitiven Darstellung, in Erinnerung bleiben. Bei seinem aktuellen, schwersten aller Kämpfe aber, nämlich den um seine eigene Gesundheit, wünsche ich Ihm und seiner Familie alle Kraft und den Mut, vorwärts zu gehen... Ich bin überzeugt, dass er aber auch in seiner aktuellen Situation versuchen wird, das Beste daraus zu machen... Danke Dir, dass ich so einen tollen Menschen näher kennenlernen durfte! Ein wunderschönes Wochenende, Nessy von den happinessygirls PS: Eine tolle, sehr ähnliche Skizze, in der seine Nachdenklichkeit gut zum Ausdruck kommt!

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  4. Lieber Arno,
    ein großartiger Artikel, in dem es Dir gelungen ist, etwas über den Menschen Schumacher und Deine Verbindung zu ihm aufzuzeigen. Du hast uns kompakt, mit Achtung und Respekt gezeigt, dass seine Leistung weit über die als Rennfahrer hinaus gegangen ist! Natürlich wird er nie mehr so wie vorher sein können, aber wir alle sind einem Wandel unterzogen... Das Innerste eines Menschen aber, seine Grundeinstellung und sein Wille wird uns, so wie er war, auch Dank Deiner sensitiven Darstellung, in Erinnerung bleiben. Bei seinem aktuellen, schwersten aller Kämpfe aber, nämlich den um seine eigene Gesundheit, wünsche ich Ihm und seiner Familie alle Kraft und den Mut, vorwärts zu gehen... Ich bin überzeugt, dass er aber auch in seiner aktuellen Situation versuchen wird, das Beste daraus zu machen... Danke Dir, dass ich so einen tollen Menschen näher kennenlernen durfte! Ein wunderschönes Wochenende, Nessy von den happinessygirls PS: Eine tolle, sehr ähnliche Skizze, in der seine Nachdenklichkeit gut zum Ausdruck kommt!

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    1. Liebe Dr. Nessy, vielen lieben Dank für das großartige Kompliment und die gute Analyse. Michael ist ein Kämpfer und dieses ist immer eine wichtige Charaktereigenschaft in seinem Leben gewesen.

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