Gastinterview: Arno von Rosen im Gespräch mit Sören Bartol, Teil 2.

 Sören Bartol
Das erste Gespräch (siehe Post weiter unten) fand am 15. November 2017 statt und war bereits wenige Tage später durch die Beendigung der Jamaika-Gespräche seitens der FDP in Teilen überholt. So haben wir uns für den 16. Dezember erneut verabredet, direkt nach der Rückreise Herrn Bartols aus Berlin, wo am Vorabend eine Präsidiumssitzung stattfand, um sich über die Sondierungsgespräche mit der CDU/ CSU auseinanderzusetzen. Ich betrete das Büro und sofort fällt mir auf, dass der lebensgroße Parteivorsitzende Schulz nicht mehr als Pappaufsteller den Eingangsbereich ziert. Nur eine Randnotiz und sicher psychologisch diskutabel, aber ich will keine Geister rufen, die eventuell nicht vorhanden sind, also konzentriere ich mich aufs Gespräch, doch die Perspektive und die Fragen haben sich geändert, da die SPD nun doch möglicherweise mit in einem Regierungsboot sitzen könnte. Ob darauf dann "Mayflower" oder "Titanic" geschrieben steht, wird erst die Zukunft zeigen.

"Herr Bartol, wie stehen Sie zu der Causa Christian Schmidt und dem durchwinken von Glyphosat?"

Sein entspanntes Gesicht scheint zu verraten, dass diese Begebenheit ausgiebig in den SPD Reihen diskutiert wurde.

"Ich gehe davon aus, dass Herr Schmidt in einer zukünftigen Regierung keine Ministerfunktion mehr ausübt. Dies wird dann sicher eines der Ziele von Horst Seehofer in Berlin sein. Das ist dann Sache der CSU"

"Also war diese Aktion in Brüssel ein Abschiedsgeschenk von Minister Schmidt für das Unternehmen?"

Bartol zuckt mit den Schultern und nickt andeutungsweise.

"War es dann klug bei Markus Lanz aller Welt zu versichern, es gäbe dahingehend keinerlei Pläne und noch zusätzlich die beleidigte Leberwurst zu geben?"

"Sicher nicht, aber die Angelegenheit "Schmidt" fällt nicht in mein Ressort."

Der beredsame Politiker bleibt einsilbig, aber sicher wird Schmidt wieder durch die Presselandschaft geistern, sobald er einen Lobbyposten in der Wirtschaft bekleidet und wir dürfen gespannt darauf warten wo das sein wird.

"Ihr Präsidium hat gestern den Sondierungsgesprächen geschlossen grünes Licht erteilt. Können Sie verstehen, dass die Bürger nur noch genervt sind von den Dauerverhandlungen?"

"Ja, aber daran war die SPD nicht beteiligt."

"Trotzdem schiebt jetzt jede Partei ihnen den Schwarzen Peter zu, auch, weil die SPD 15 Minuten nach schließen der Wahllokale jede Regierungsbeteiligung und damit verbundene Gespräche abgelehnt hat. Hatten Sie nicht mit dem Scheitern von Jamaika gerechnet?"

"Ich hatte es vermutet."

"Das sind doch alles Profis, wie konnte daraus so ein Fiasko entstehen?"

"Da gab es keine Profis, bis auf Trittin, aber die haben die Sache schon völlig falsch angefangen, denn alleine bei den Sondierungsgesprächen wurde ein dicker Katalog mit Themen erstellt.

"Sie meinen es gab eine Art Koalitionsverhandlung, obwohl es nur Sondierungen waren?"

"Genau. In den Gesprächen geht es lediglich darum die Punkte jeder Partei festzustellen, die denen wichtig sind und daraus kann man dann ersehen, ob Koalitionsverhandlungen sinnvoll sind."

"Bei der SPD wird es also keine Indiskretionen geben, wo jeder Gesprächsstand sofort den Medien mitgeteilt wird?"

"Bei den Treffen der Spitzenleute sicher nicht und wir werden auch nicht vom Balkon winken und Nachrichten per Twitter verbreiten."

"Nächste Woche am 20. Dezember soll dann die Entscheidung über Sondierungsgespräche zwischen CDU/ CSU und SPD fallen. Steht das Ergebnis nicht schon fest und es wird auf jeden Fall zu Verhandlungen kommen?"

(Natürlich ist dies bereits wieder Vergangenheit und die Verhandlungen bewegen sich auf mögliche Koalitionsgespräche zu)

"Nein wir werden ergebnisoffen in die Sondierungen reingehen, ohne jegliche rote Linien, so wie die anderen Parteien auch."

"Was ist mit den roten Linien von der CSU?"

"Da gibt es ebenfalls keine."

"Gestern hat Herr Seehofer der Presse mitgeteilt es gäbe weder Verhandlungen oder Gespräche ohne die CSU, egal ob mit der SPD oder der Schwesterpartei CDU, falls damit der Wahlkampf in Bayern betroffen sei und Angela Merkel stand daneben. Das ist für mich bereits eine rote Linie und sogar eine Androhung."

"So ist eben die CSU, aber das ist da immer so gewesen."

"Immerhin hat der Königsmörder Markus Söder doch sein Ziel, Horst Seehofer abzulösen, erreicht. Ist es da hilfreich im TV zu sagen, dass es bei allen Verhandlungen nichts geben würde, was einer CSU bei den eigenen Landtagswahlen schadet?"

"Natürlich nicht und mit dieser Einstellung kann die Landtagswahl auch für Söder zum Problem werden."

"Immerhin ist Ihr Parteivorsitzender erheblich ruhiger mit seinen Aussagen geworden, was die zukünftigen Gespräche angeht. Will die SPD nun doch regieren?"

"Darum geht es derzeit nicht, sondern wirklich nur um Sondierungsgespräche"

"Entschuldigung, ich muss mich wohl an die neue SPD gewöhnen, die sich nicht sofort selbst in Diskussionen zerfleischt."

"Bei der SPD Spitze jedenfalls nicht, was aber nicht heißt, dass die Basis da ganz andere Vorstellungen hat, die sind nach wie vor mehrheitlich gegen eine Regierungsbeteiligung der SPD. Doch dies ist für mich gelebte Demokratie. Nicht einer an der Spitze sollte alles entscheiden, sondern es ist gut, wenn es innerhalb einer Partei lebendige Diskussionen über mögliche Ziele und Vorgehensweisen gibt. Das sehe ich bei anderen Parteien nicht so ausgeprägt, mir aber gefällt das."

"Ist es nicht gefährlich auf Neuwahlen zu spekulieren? Bei manchen Parteien beschleicht einen das Gefühl, es wird dahingehend gepokert, um doch noch mehr Wählerstimmen zu erhalten. Bei der SPD ebenfalls?"

"Absolut nicht, aber wenn unsere Gespräche mit der Union scheitern, gibt es Neuwahlen."

"Na ja, so einfach ist das auch nicht, da gibt es viele Schritte zu erledigen, zum Beispiel erneute Gespräche mit dem Bundespräsidenten."

"Die Hürden für Neuwahlen sind bewusst hoch, damit nicht so lange gewählt wird, bis irgendjemand das Ergebnis gefällt. Wir wollen keine Neuwahlen und wir sind uns bewusst, dass die 20 Prozent der Wähler, die uns ihre Stimme gegeben haben denken, "macht etwas daraus!" Denen ist herzlich egal was mit der SPD wird, die möchten nur eine handlungsfähige Regierung und das ist unser Auftrag, selbst wenn es in der Öffentlichkeit heißt, dies wäre schlecht für unser Land oder für die SPD."

"Dann gehen wir doch einmal Themen an, die vielen Menschen in Deutschland auf den Nägeln brennen."

 Sören Bartol
Bartol strafft sich und wirkt hochkonzentriert.

"Ein leidiges Thema ist die fortwährende Dieselaffäre. Weder gab es ein Gesetz, welches Sammelklagen zulässt, noch ist irgendwie geklärt, wer auf den gesamten Kosten sitzen bleibt. Findet da gerade eine gigantische Fahrzeugentwertung statt?

"Es gibt schon die Möglichkeit sich Klageanwälten anzuschließen, die viele Mandanten auf einmal in dieser Sache vertreten, aber das ist natürlich nicht dasselbe wie eine Sammelklage, denn dafür müssten neue Gesetze her und die sind derzeit nicht mit der Union zu machen." (Stand 16.12.17)

"Die Schuld für mögliche zukünftige Fahrverbote in Städten tragen aber nicht die Autobesitzer, sondern die Konzerne. Warum sollte der Schaden also zu Lasten der Bevölkerung gehen?"

"Die manipulierten Fahrzeuge bekommen ja schon kostenlose Updates und sind damit besser."

"Besser sind die Fahrzeuge deshalb nicht, lediglich die Verschleierungssoftware wurde entfernt. Der Dreck bläst weiterhin aus dem Auspuff und es droht auch trotz der neuen Software ein Fahrverbot in Städten."

"Wir müssen auf jeden Fall öffentliche Verkehrsmittel, Kleintransporter und Taxis in den betroffenen Regionen technisch umrüsten und das mit Hilfe der Konzerne, damit die Kosten gerecht verteilt werden, doch nach den alten Gesetzen (Rollenprüfstand) ist der höhere Ausstoß bei Motorbelastung erlaubt und dafür wird kein Konzern freiwillig bezahlen."

"Das hilft den Millionen normalen Autoeigentümern aber kein Stück, denn die besitzen dann wertlose Fahrzeuge, die sie entweder teuer nachrüsten oder den Städten fern bleiben müssen. Zudem werden laufend neue nicht umgerüstete Fahrzeuge zugelassen.

"Die neuen Fahrzeuge haben alle schon die neue Software aufgespielt." (Wissenswertes über den Dieselgate)

"Die alleine nichts nutzt, weil dafür zusätzlich neue und bereits vorhandene Abgasreinigungsanlagen eingebaut werden müssten und zwar flächendeckend."

"Über diese Mehrkosten bei der technischen Umrüstung älterer Fahrzeuge müssen wir uns unterhalten und wir als SPD wollen da die Wirtschaft mit ins Boot holen."

"Die sich bislang drückt wo es nur geht, weshalb VW auch keinen weiteren Aufschub für mögliche Sammelklagen der manipulierten Fahrzeuge gewährt hat, so wie noch letztes Jahr. Damit sind dann ab dem 01.01.2018 die Autobesitzer auf sich gestellt und haben keine Macht, außer bei den Konzernen nicht noch weitere Autos zu kaufen."

"Ein erstes Urteil zu möglichen Fahrverboten erwarte ich im Februar 2018. Zu diesem Zeitpunkt gibt es entweder Koalitionsverhandlungen oder Gespräche über Neuwahlen, dann kann sich keine Partei mehr diesem Problem verschließen."

"Dann wäre in Ihren Augen der politische Druck groß genug, um doch eine Lösung im Sinne der Dieselfahrzeugbesitzer zu finden?"

"Ja, allerdings glaube ich nicht, dass es eine kostenfreie oder einfache Lösung geben wird, auch je nachdem wie alt diese Fahrzeuge sind."

"Es trifft dann also wieder die, welche sich sowieso keine Neufahrzeuge leisten können und dann Geld aus ihren Taschen holen müssen, welches sie nicht haben. Das führt mich zur nächsten Frage. Die SPD redet von Gerechtigkeit und gleiches Geld für gleiche Arbeit. Wie kann es dann in Unternehmen wie DHL oder Lufthansa zu Arbeitsmodellen kommen, die sogar teilweise den Mindestlohn unterschreiten, weil es Unterfirmen gibt, die zu ganz anderen Bedingungen einstellen dürfen als die Stammbelegschaft, welche nach und nach abgebaut wird? Dies sind ja noch negative Auswüchse der Agenda 2010."

"Die Agenda 2010 ist lange her und wir dürfen die Bedingungen unter der die Agenda geschaffen wurde nicht vergessen und müssen die aktuelle Situation wieder neu beurteilen, denn wir haben völlig veränderte Bedingungen und müssen schnell Anpassungen vornehmen, ebenfalls bei Fehlern, die damals ohne Frage gemacht wurden."

"Es ist der SPD also auch ein wichtiges Anliegen bei möglichen zukünftigen Verhandlungen?"

"Natürlich. Wenn es Regelsystem ausgenutzt wird, gegen den Sinn des Gesetzgebers, müssen Änderungen vorgenommen werden. Das gilt auch für das unzureichende Gesetzt der Mietpreisbremse, welches wenig bis nichts bewirkt, ebenso wie den Selbstbedienungsladen der Hauseigentümer bei Modernisierungen, die auf die Mieter abgewälzt werden und selbst nach der Amortisierung kein Ende findet."

"Trotzdem ist in den letzten vier Jahren da nichts passiert, außer, dass Spekulanten haufenweise Häuser kaufen und mittels Modernisierung die Wohneinheiten entmieten, da sich die Bewohner die neuen Mieten schlichtweg nicht mehr leisten können und dann alles in Eigentumswohnungen umgewandelt wird, die dann auch mit ausländischen Kapital gekauft werden. Sitzt nicht genau in diesen Wohnungen die Klientel der SPD?"

"Genau das sind unsere Wähler und wir wissen dies, weshalb uns dieser Punkt auch wichtig ist, so wie er ebenfalls einer CDU/ CSU wichtig sein sollte, da selbst in Bayern der Mietzins in Großstädten nicht mehr bezahlbar ist. Wir hoffen also auf Gemeinsamkeiten bei diesem Thema. Darüber hinaus will die SPD eine höhere Grundsteuer auf Spekulationsgrundstücke erheben, welche nur nicht verkauft werden, weil die Investoren auf Wertsteigerung am angespannten Baumarkt spekulieren."

"Das heißt, ein Investor kann sich selber ausrechnen, wann es keinen Ertrag mehr auf seine Spekulation gibt und verkauft dann früher und zu annehmbarerem Preis?

"So ist es geplant. Damit nehmen wir nichts weg, sondern verhindern lediglich den Wohnungsbaustillstand zu Lasten der Mietsituationen in Großstädten. Zudem muss der Staat sich wieder viel mehr um den Bau von Wohnungen kümmern, ob als Neubau oder Aufstockung auf Gebäuden, wo es keine Grundstücke mehr zu bebauen gibt."

"Wenn wir schon über ausländisches Kapital reden, wie sieht es mit einem Schuldenschnitt Griechenlands aus?"

"Den wird es geben. Ich weiß nicht wann oder wie hoch dieser Schuldenschnitt sein wird, aber er wird kommen. Irgendwann."

"In ferner Zukunft, wenn das Land komplett tot ist?"

"Nein, ich denke in den nächsten schätzungsweise fünf Jahren, damit ein Neustart möglich ist, denn niemand kann in Europa ein Interesse an einem maroden Griechenland haben."

Ich bedanke mich für das Gespräch Herr Bartol."

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