Gastkolumne von Christiane Gorius am 03.01.22 Das Ende des Smalltalks?

Christiane Gorius
Foto aus eigenem Bestand
                                                                   

Das Ende des Smalltalks? 

Es gab Zeiten, da wurde er einem zuweilen zu viel. Der kleine Plausch zwischendurch während der Arbeit, beim Sport, Bäcker, Friseur, im Bus, Treppenhaus, Café, in der Kneipe, im Restaurant – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. 

Während Stephan Sulke in den frühen Achtzigern, der Zeit des kalten Krieges, von einer öden Cocktail-Party sang, auf der er einen Mann aus Russland traf, der "fröhlich war und Witze machte", bekommt diese Situation heute einen ganz anderen Charme. Fast sehnen wir uns nach banalen und oberflächlichen Begegnungen. 

Smalltalk bzw. conversation-peace kommen einem vor wie aus der Zeit gefallen. 

Wir schreiben 2022, befinden uns in einer herausfordernden Szenerie und den guten Roten trinken wir lieber daheim. Den gepflegten Smalltalk ersetzen wir durch Tweets, Postings oder Grüße per Mail. Dabei wissen wir, dass sie ihn nicht ersetzen. So verlegen wir zwischenmenschliche Kontakte in den digitalen Raum. 

Sorry, ich will nicht jammern, gehöre ich doch zum Team Vorsicht. Und doch vermissen viele die Gespräche, die oft nur geführt werden, weil man jemanden sympathisch findet. Dabei geht es nicht unbedingt ums Flirten. Konstruktive Menschen lieben es einfach, sich gegenseitig Komplimente zu machen. Diese kleinen Liebenswürdigkeiten scheinen überflüssig zu werden, aber versüßen den Alltag.

Freundlichkeit und Achtsamkeit sind Balsam für die Seele. Wir sprechen jetzt vorsichtiger miteinander und meiden unnötige leibliche Kontakte. Das verstehe ich, denn ich will gesund bleiben. Ich frage mich lediglich, wie wir verhindern können, dass uns die Kunst des Smalltalks durch die Lappen geht? 

Einige werden sagen, dass sie diese oberflächlichen Gespräche immer blöd fanden. Ehrlich gesagt, ging es mir auch manchmal so. Aber jetzt, da wir zuweilen auf leibliche Distanz setzen, was ich durchaus nachvollziehen kann, suche ich nach zwischenmenschlichen Kommunikationsmöglichkeiten eines neuen Smalltalks. 

Es müssen keine ausufernden Gespräche sein, aber man könnte jemanden anrufen, der oder die einem sympathisch ist und den oder die man nicht vergessen will. Oder Menschen auf der Straße heute besonders freundlich grüßen? 

Smalltalk geht auch so und irgendwann mal wieder so richtig tête à tête. Denn das Überflüssige und auf den ersten Blick nicht unbedingt Notwendige verhindert die reale Vereinsamung. Natürlich brauchen wir hier nicht nur Geduld, sondern vor allem kreative Formen menschlicher Kommunikation, die von Freundlichkeit, Empathie oder sogar Zuneigung zeugen. 

Selbstverständlich wird das kleine friedliche Gespräch zwischendurch das intensive und besonders teilnehmende nie ersetzen, doch durchaus ergänzen oder einleiten können. Smalltalks bleiben Eisbrecher und sorgen dafür, dass wir trotz Alledem die Wärme, Heiterkeit und Leichtigkeit des Augenblicks mit den anderen pflegen, denn alles geht so schnell vorbei.

Christiane Gorius

 
Text und Foto: Christiane Gorius 

Die Germanistin und Sozialpsychologin #Christiane_Gorius ist seit 1995 selbständig tätig als Dozentin für Persönlichkeitsentwicklung (Rhetorik, Theater, Pilates, Entspannungsverfahren). Nebenbei schreibt sie Bücher und fotografiert gern. www.chrigorius.de 

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