Gastkolumne: Arno von Rosen: Arbeitsmoral

Den Deutschen wird ja gerne einiges an Klischeés nachgesagt. Sie seien pünklich, zuverlässig, fleißig und vieles mehr. Ebenso werden die Japaner gesehen, doch stimmen diese Behauptungen wirklich? Und was könnten die Gründe dafür sein? Sicher ist nur, dass sich solche Vorurteile über lange Zeiträume entwickeln und nur schwer wieder aus den Köpfen anderer Nationen verschwinden. Bei positiven Eigenschaften ist das natürlich kein Problem, nur wenn es mal ans Eingemachte geht, zeigt jeder gerne mit dem Finger auf andere, deshalb fange ich jetzt bei mir an.

Ich war nicht immer ein Workaholic, aber wäre ich jetzt keiner, könnte ich meine Selbstständigkeit kaum überleben, doch bevor ich Manager war, Geschäftsführer und Unternehmensberater (nein, ich habe dem Schäfer nicht gesagt wie viele Schafe er besitzt), war ich mal sehr jung. Um genau zu sein, ich war 17 Jahre, als ich mein Elternhaus verließ, was gleichzeitig bedeutete, keine Unterstützung mehr zu bekommen. Da ich vom echten Leben keine Vorstellung hatte (für die jüngeren Leser = null Checkung) begann ich mich durchzuwurschteln. Neben Zeichnungen, mit denen sich gutes Geld verdienen ließ, verdingte ich mich in zahlreichen Jobs, unter anderem in einer Brotfabrik. Es ist kein Spaß mit samtweichen Händchen jeden Tag 30 Tonnen Brot zu bewegen, an Öfen mit 250 Grad zu stehen, bewaffnet mit mehrlagigen Sicherheitshandschuhen, welche dreimal pro Schicht durchbrannten und so war mein Verhalten nicht sonderlich professionell. Ich schluderte, wo es nur ging, kam regelmäßig 5 Minuten zu spät zur Arbeit, diskutierte mit dem Abteilungsleiter über jeden Scheiß und flog natürlich raus, als ich mich am Finger verletzte.

Zu diesem Zeitpunkt war mir nur wichtig genug Geld zu haben, um eine Wohnung zu bezahlen, etwas zu Essen zu haben und jedes Wochenende unterwegs zu sein und ich meine JEDES Wochenende. Selbst 41 Grad Fieber hielten mich da nicht ab. Krank geht immer noch am Montag ;-) Mit einem Wort, ich war ein "Faulpelz" und wer Deutsche nach mir beurteilt hätte, wäre schreiend davon gelaufen:D Solche Jobs habe ich gleich dutzendweise ausprobiert, immer auf der Suche nach Spaß, etwas Geld und vor allem Erfüllung. Die gab es nicht, doch eines habe ich in den Situationen gelernt. Respekt vor den Menschen, die so etwas ihr Leben lang durchhalten, denn dafür bin ich nicht gemacht. Erst als ich lernte nicht jedem zu sagen was ich so dachte, wurde es leichter und die Jobs dauerten länger, natürlich auch, weil ich zwischenzeitlich Vater geworden war und die Anwesenheit meiner Frau den nötigen Druck auf meinen Schweinehund ausübte. Als ich endlich das Büro als mein neues Zuhause entdeckte (ich wollte nie so einen Kasten von innen sehen), fand ich mein berufliches Glück und wurde der Vorzeigearbeiter vor dem Herrn.

Dabei habe ich unglaublich viele verschiedene Menschen und ihre Mentalitäten kennen gelernt und bemerkt, dass ganz andere Kriterien den durchschnittlichen Deutschen zur Arbeit treiben. Pünktlich sind wir (meistens), doch nicht, weil wir Pünktlichkeit lieben (bei anderen schon), sondern weil wir uns einen Vorteil davon erhoffen und mal ganz ehrlich. Sind Sie nicht ein bisschen schadenfroh, wenn Ihr Terminpartner nach Ihnen eintrifft? Ein gutes Gefühl, gelle? :-) (es ei denn der Drecksack kommt viel zu spät) Zuverlässig sind wir natürlich ebenfalls, aber nur mit Genörgel und Grimmen (ja, wir Deutsche sind Weltmeister im jammern, wirklich!), denn nichts möchten wir mehr als alles schleifen zu lassen und so sehen unsere Wochenenden dann auch sehr oft aus. Es wird gerne gebummelt, ob beim Aufstehen oder schon dem Frühstück, es sei denn wir haben etwas konkretes vor, dann kann man wieder die Uhr nach uns stellen ;-) Ganz schlimm ist auch die Unterstellung mit dem Fleiß. Der Deutsche ist nicht wirklich fleißig, nicht in dem Sinne wie es die Japaner sind, denn wir wollen nur nicht, dass unsere Kollegen besser dastehen als wir und wenn dieses häufig vorkommt (aus dem Grund musste ich Manager werden), werden wir liebevoll von unseren Kollegen gehasst, denn fleißige Mitarbeiter versauen den Leistungsschnitt und bringen die Chefs nur auf dumme Gedanken, von wegen Mehrarbeit.

Sie sehen, wie schnell die Vorurteile entkräftet werden können, wenn man nur genug Menschen kennen gelernt hat und mit ihnen arbeiten durfte. Natürlich sind das Innenansichten und selten existiert ein Chef, der wirklich etwas von Mitarbeiterführung versteht. Wie auch, der durchschnittliche Boss ist so bereits von der Uni gekommen, mit all dem schönen theoretischen Wissen und absolut null Ahnung wie Menschen funktionieren, die sich nicht ihr halbes Leben auf Holzbänken rumgedrückt haben. Dabei wollen die meisten Arbeiter und Angestellten nur wenig von ihrem Job. Gerechte Bezahlung (und natürlich keine Lügen, warum es dieses Jahr keine Gehaltserhöhung gibt, während draußen die Chefs ihre Nobelkarossen im Schatten parken) und Anerkennung. So einfach ist das. Dann und wirklich nur dann sind die Deutschen gerne pünktlich, zuverlässig und fleißig und ihnen kommt höchstens mal ein kecker Spruch über die Lippen, wenn wieder mehr Arbeit anfällt, als sich eigentlich schaffen lässt.

Nicht jeder will oder kann Chef werden, aber jeder verdient Respekt, sogar der Boss, falls er alles für seine Mitarbeiter getan hat, denn wer kein Einzelkämpfer ist, so wie ich, der benötigt Menschen die nicht schon Sonntagmittag darüber nachdenken wie übel der nächste Tag wird. Trotzdem sind wir das produktivste Völkchen der Erde, also kann nicht alles falsch sein was wir machen und an dem Spaß arbeiten wir ja noch, stimmts? ;-)

Mein Zitat heute stammt von Oscar Wilde (1854-1900) irischer Lyriker, Dramatiker und Bühnenautor.

"Arbeit erscheint mir nie als Realität, sondern als Mittel, der Realität aus dem Wege zu gehen."

Es grüßt Sie Ihr zunehmend abschlafender Arno von Rosen (Arbeitsalter 67 - juhuuu), Buchautor, Kolumnist, Blogger, Fotograf und Sklaventreiber, Geissel der eigenen Arbeitswelt und Rekordhalter im Dauermalochen. Wenn Sie in Lohn und Brot stehen, gönnen Sie sich mal ein Brötchen und wenn Sie der Cheffe sind, kaufen Sie Ihren Mitarbeitern mal ein Eis (nein, nicht abgepackt, Sie Knauser).

Foto: aus dem Bestand von Arno von Rosen



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