Gastkolumne Arno von Rosen: Brennpunkt #Brüssel

 Arno von Rosen
Wer gestern vor dem Fernseher gesessen hat, um sich die aktuellen Geschehnisse in Brüssel anzugucken, hatte vielleicht das Gefühl einer Wiederholung. War die politische Welt beim Anschlag auf Charly Hebdo noch in heller Aufregung, leicht konfus und unvorbereitet, so sieht das seit dem zweiten Terroranschlag in Paris ganz anders aus. Die Statements der Politiker, Talkrunden und Experten sind dabei beliebig austauschbar. Würde man die Namen der Städte weg lassen, könnte kein Mensch sagen um welchen Anschlag es sich gehandelt hätte. 

Das ist natürlich zynisch angesichts der betroffenen Angehörigen und der Opfer, aber warum sollte sich daran etwas ändern? Alles scheint nach einem vorbestimmten Muster zu passieren. Ich vergesse dabei die Anschläge in der Türkei oder anderswo auf der Welt nicht, aber mit diesen haben wir uns über Jahrzehnte bereits abgefunden oder holt Sie ein Selbstmordattentäter in Israel oder dem Libanon wirklich noch hinter dem Ofen hervor oder ändert Ihre Urlaubspläne? Eben, wir haben uns daran gewöhnt, dass unschuldige Menschen durch Krieg und Terror ums Leben kommen. Nur nicht so nahe vor der eigenen Haustür, und Brüssel ist per Auto nur drei Stunden von Frankfurt entfernt. Vom Ruhrgebiet ist es quasi nur ein Katzensprung und das macht uns Bürger mit recht nervös.

 Berittene Polizei in Brüssel
Seit zwanzig Jahren verbringe ich jedes Jahr Zeit in meiner Lieblingsstadt Brüssel, habe geschäftlich mit dem Europäischen Parlament zu tun gehabt, kenne die Gebäude und bin sicher,  jede Straße im Umkreis von drei Kilometern um das Zentrum ein Dutzend Mal entlang gelaufen zu sein. Natürlich auch in Molenbeek. Was ist das für ein Viertel in dem die Terroristen angeblich in Rudeln herumlungern und von der Polizei oder dem Staat im Allgemeinen unbehelligt bleiben? 

Sie werden es kaum glauben. Es ist ruhig dort, jedenfalls leiser als der touristische Kern der Metropole, und ich habe dort schon abendliche Spaziergänge mit meiner Frau gemacht. Die Straßen sind so sauber wie in der Schweiz und außer, dass einen die Bewohner der Häuser argwöhnisch ansehen wenn ein Gesicht nicht bekannt ist, genauso wie in jeder anderen großen Stadt, wirkt diese Gegend nicht aufgeladen oder befremdlich. Sogar im Gegenteil, denn in Berlin, Hamburg oder Frankfurt gibt es ganze Straßenzüge, in denen sich unsere Polizei nicht aufhält. Zu groß wäre die Gefahr angegriffen zu werden, wenn man nicht gleich mit einer Hundertschaft an Beamten auftaucht. 

 Galerie Royal Hubert Brüssel
Also ist nicht nur bei uns jede Integration gescheitert, auch Brüssel ist ein wüster Schmelztiegel der Nationalitäten und ob nun abends oder am lichten Tag, man trifft alles an Menschen, was man sich nur vorstellen kann, meist friedlich aber immer außen vor und doch im Kern der Gesellschaft. Zwar ist die Polizei nie weit entfernt, aber auch zwei Beamte auf riesigen Pferden können gegen Gewalt nichts ausrichten. Sie sind eher zu Werbezwecken unterwegs und zeigen höchstens Präsenz. 

In normalen Zeiten reicht das völlig, aber tritt die Gewalt offen auf, wird schnell klar wie machtlos jeder Staat gegen solche Angriffe ist. Daran ändert sich auch nichts wenn alle Bürger sorgfältig durchleuchtet werden, denn die Personen, die bereit sind sich und andere zu opfern, haben 17 verschiedene Identitäten, Waffen so viele sie wollen, weil der Markt dauernd Nachschub bekommt, und eine breite Masse an Mitmenschen, die sich schon seit langem alleine gelassen fühlen und sich damit bewusst oder unbewusst außerhalb des Gesetzes stellen. Sie haben keine guten Bildungschancen, keine Perspektive irgendwann mal gut zu verdienen, ganz zu schwiegen von Eigentum, Ferien am Meer oder was wir uns sonst so leisten können in der Mitte der Gesellschaft. 

 Straßenmusiker in Brüssel
Diese Menschen sehen keine Notwendigkeit Terrorverdächtige zu verraten oder sich Gedanken um Wohlhabende oder den Staat zu machen. In dieser Spirale befindet sich übrigens Deutschland schon seit einiger Zeit und man muss sich dann über die Wahlergebnisse der letzten Wochen nicht allzu sehr wundern. Wenn sich also wieder Politiker in ein Fernsehstudio setzen und verkünden es wäre nur eine Frage der Zeit bis der Terror nach Deutschland kommt, kann ich nur entgegnen: Er ist schon lange da, und er muss nicht erst aus dem benachbarten Ausland eingeflogen werden und das ist kein Ergebnis der Zuwanderung, sondern es werden Täter sein, die eine Ausbildung in unserem Land hatten, leicht an Waffen kamen und damit ihre Sicht der Dinge tödlich durchsetzen werden. Vielleicht gibt es die RAF (Rote Armee Fraktion) nicht mehr, aber die Ideologie dieses Personenkreises kann man nicht so einfach zerstören, wie unseren rosigen Träume einer famos friedlichen Zukunft.

 Straßenkünstler in Brüssel
Sollten Sie davor Angst haben und allem zustimmen, was Ihrer vermeintlichen Sicherheit hilft? Nein, denn Sie sind nicht in Gefahr. Jedenfalls nicht mehr als im Berufsverkehr oder bei Tätigkeiten im Haushalt, denn dort sterben statistisch gesehen die meisten Bundesbürger, dicht gefolgt von 20.000 Toten die jährlich durch Kunstfehler in Krankenhäusern ihr Leben lassen. Vorschnelle Panik, geschürt von Experten und Politikern ist also kein guter Gradmesser für unsere nächste Zukunft.

Es grüßt Sie Ihr betroffener Arno von Rosen, Buchautor, Kolumnist, Fan von Brüssel und einer bunten Gesellschaft. Bleiben Sie aufmerksam und mutig!

Fotos: Arno von Rosen


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