Gastkolumne Arno von Rosen: Spendennation Deutschland

 Arno von Rosen
Wir sind Spendenweltmeister! Ja klar, auch beim Fußball, und da fühlen wir uns genauso gut wie als Wohltäter an der Menschheit, stimmts? Geben ist eben seliger denn nehmen und man bekommt ja soooo viel zurück. 

Wieder kam in den Nachrichten, dass die Deutschen erneut einen Rekord aufgestellt haben, und das schon mehrere Jahre hintereinander. Also lehnen wir uns satt vom Weihnachtsfest zurück und genießen unsere Gutherzigkeit ein wenig. Ein bisschen Schulterklopfen darf natürlich auch sein. Und wenn Sie jetzt so schön vor Ihrem PC sitzen, vielleicht ein Tässchen Kaffee in der Hand, lasse ich ein paar Zahlen über den Bildschirm rieseln. Wetten, dass Ihnen danach ein Schneeschauer lieber gewesen wäre?

Unsere gern gesehene Weltmeisterei ist eigentlich nur Selbstberuhigung. Warum dieses Thema bei Spenden immer wieder aufgegriffen wird bleibt mir genauso ein Rätsel wie die Darstellung eines großen Fortschritts mit Quantensprung zu bezeichnen, denn es ist die kleinste physikalische Einheit, gerade noch messbar.

Deutsche Privathaushalte haben im Jahr 2014 6,4 Milliarden Euro gespendet (alle Werte ohne Kirchensteuer usw/ Quelle Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen DZI). Das klingt sehr viel, ist aber nur ein kleiner Teil (5%) am gesamten sozialen Sektor in der BRD. Der größte Anteil davon geht nach Afrika und das ist auch gut so, oder? Nein, denn die Spenden werden sehr oft den hiesigen Machthabern überlassen oder enthalten keine nachhaltigen Konzepte. Das Geld versickert so bestenfalls in Einmalhilfen und danach geht das Elend ungebremst weiter. Wem gebe ich dann mein gutes Geld?

In Deutschland sind über 616.000 gemeinnützige Vereine registriert, wovon 411.000 Spenden sammeln von A, wie Ärzte ohne Grenzen bis Z, wie Zukunftsstiftung Entwicklung. Sie können also faktisch fast nichts richtig machen. Natürlich gibt es Spendensiegel, die eine Seriösität nachweisen, aber wie hoch der Verwaltungsaufwand ist und welche Karosse der Geschäftsführer fährt wissen Sie dann noch lange nicht, oder? Immerhin sind wir ja noch Weltmeister und sollen es andere erstmal besser machen. SO!

Machen die Anderen leider doch und das schon immer. Aktuell steht Deutschland auf Platz 27 der weltweiten Gutherzigkeit, denn nur knapp 35% der Bevölkerung unseres Landes spenden überhaupt. Vor uns sind natürlich wirtschaftlich starke Staaten wie USA (Platz 13), Großbritannien (Platz 2) oder die irre reichen Iren (Platz 4). Spitzenreiter ist allerdings Birma mit Platz 1, denn dort spenden 85% der Bevölkerung und in vielen anderen armen Ländern sieht es ähnlich aus. Wer kein Geld hat hilft eben mit seiner Zeit und Arbeitskraft. Übrigens nach Geld gerechnet sind die USA an Platz 1 und selbst Indien ist vor uns, nur mal so.

Werfen wir mal einen Blick auf unser Spendenverhalten. Das meiste Geld wird von den Wenigverdienern gespendet mit einem Anteil von etwa 42%, dann folgen die Großverdiener mit 35% und Schlusslicht bildet der gut verdienende Mittelstand mit etwa 18%. Nichts wofür wir uns schämen müssten, aber mit Weltmeister hat das mal gar nichts zu tun. Überdies gibt es keinerlei staatliche Kontrolle und der Spender muss zuerst einmal viel Vertrauen spenden, wenn er sein Geld hergibt. Bevor jetzt jemand vom Zahlen lesen einen Ermüdungsbruch im Auge erleidet hier noch etwas positives.

Kurz vor Weihnachten (leider etwas spät) habe ich eine Aktion gestartet „Kalender gegen Spende“, wo ich selbstfotografierte Kalender mit Rezepten nach Jahreszeit drucken lies und dieses Geld an einen Marburger Elternverein, wo ich den Vorstand und die handelden Personen kenne, direkt habe zahlen lassen. Die Kosten für den Versand habe ich übernommen und das Vertrauen wurde mir von meinen Freunden bei Facebook und Wordpress geschenkt. Dafür vielen dank, aber noch sind Kalender da und ich mache weiter. (Mail an: arnovonrosen@yahoo.de)

Auch Geschäfstleute aus Marburg haben mitgemacht (Bilder und Firmen folgen in einem anderen Artikel) und Kalender gekauft. Allerdings haben ALLE großen Ketten wie, Aldi, Alkoni, Sommerlad (wenn das Sylvia von Schweden wüßte), Ernstings Family usw. keinen Cent gegeben, meist mit der Begründung es sei kein Budget dafür da oder kein Mitarbeiter hätte Interesse etwas Gutes zu tun (echt jetzt?). Den Vogel hat dann allerdings Lidl abgeschossen, wo sich der Bezirksleiter gemüßigt sah, alle Filialen vor meinem Besuch zu warnen und unter Strafe zu verbieten Kalender von mit zu nehmen. Da bleibt einem die Spucke weg!

Na ja, jeder wirbt so für sich wie er will. Immerhin hätten die einen Kalender für 23,- Euro genommen, wenn ein Artikel in der Bildzeitung erschienen wäre und nicht in der popeligen "Oberhessischen Presse" (nicht meine Worte). Klar, würde ich für die paar Ocken auch machen ;-)

Übrigens, für Musiker und bei Katastrophen spenden wir am Liebsten! Es grüßt Sie Ihr unerschütterlicher Arno von Rosen, Buchautor, Kolumnist und jetzt auch noch Kalenderstylist. Bleiben Sie einfach freundlich, großherzig und suchen Sie in Ihren Taschen nach Kleingeld.

Fotos: Arno von Rosen


4 Kommentare:

  1. Lieber Arno, du hast sehr akzentuiert und klar geschrieben. Das gefällt mir sehr. U.a. gehe ich mit dir absolut konform, was das Spendenverhalten betrifft. Weißt du, es gibt mir mittlerweile zu viele "Gutmenschen" und immer wieder bewahrheitet sich: "Tuhe Gutes und rede darüber." ...Ich finde das reichlich dekadent, aber sich aufzuregen, habe ich mir schon lange abgewöhnt. Manchmal kann ich nicht fassen, wieviel Elend (grausame Krankheiten, Obdachlosigkeit, Armut etc.) es in unserem eigenen Land gibt, wieviel Gleichgültigkeit, Oberflächlichkeit und Lieblosigkeit. Mich macht das immer wieder traurig. Fakt ist: Deine Aktion ist eine wunderschöne Idee und es wäre super, wenn noch viele, viele Leute sich beteiligen würden. Bin ja leider so weit weg, sonst würde ich ganz kräftig die Werbetrommel rühren. Das ist n i c h t einfach dahergesagt. In diesem Sinne ganz viel Erfolg und vieeeeeeeel Geld für eure wundervolle Stiftung. LG Molly

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    1. Liebe Molly, Du hast ja fleißig gespendet aus der fernen Türkei und ich bin sehr glücklich darüber. Die nächsten Schandtaten für die Kinder sind schon in Planung und ich teile sie noch mit, aber diesmal ohne Spende von meinen Freunden ;-)

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  2. Spenden, im Sinne von - Ich überweise jetzt etwas - ist eine einfache Sache und beruhigt sicher auch manches Gewissen.
    Viel schwieriger ist es natürlich, etwas herzustellen, so wie du mit deinem Kalender oder auch andere Formen des Produzierens zu wählen (wir in der Schule haben da eher die Möglichkeit mit Kuchen- oder Brötchenbasaren).
    Dann bleibt die Zielfrage, kommt das Geld da an, wo es auch hin soll?
    Das scheint für viele Spender auch ein Problem zu sein.
    So muss jeder abwägen, ob er sich darauf einlässt.
    Der Spendensammler muss vertrauenswürdig sein (bei dir habe ich da keine Bedenken), aber die angeblich so caritativen Verbände sind aus meiner Erfahrung auch nicht mehr überzeugend. Ich habe für Spenden - erfahrungsgemäß durch das Haitibeben und Fukushima - ein mir sehr gut bekanntes Kloster, das unsere Spenden zielgerichtet weitergeleitet hat.
    Mit mehr Transparenz und Sicherheit würden unsere Landsleute sicher auch spendenfreudiger sein.
    Deine Erfahrungen mit Lidl und co mag ich gar nicht kommentieren, sonst versaue ich mir den frischen Tag.

    Weiter viel Erfolg und rollende Euros für dein tolles Projekt.
    Mit Gruß
    Gaby Bessen

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  3. Ein fundierter Artikel! Ich glaube auch, dass Spenden bei den meisten Menschen nur gelegentliche Selbstberuhigung ist, sonst müsste eigentlich jeder Deutsche ein Patenkind in einem Land der Dritten Welt haben. Erst mit regelmäßigen Zuwendungen (geldlich oder z.B. zeitlich im Ehrenamt) übernimmt man wirklich Verantwortung. Das heißt nicht, dass man nicht auch bei anderen guten Aktionen wie der deinen mitmachen soll.

    Ich wünsche Dir noch weiterhin viel Erfolg und lass Dich nicht von der Geschäftswelt entmutigen!

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