Gastkolumne: Arno von Rosen- Bei Bio machen wir alle mit!

 Arno von Rosen
"Klar", denken Sie jetzt alle. "Das muss der ja sagen, ist schließlich auch passionierter Koch". 

Sie haben natürlich Recht. Ich greife regelmäßig zu Bioprodukten. Nicht nur, weil ich mir ein gesünderes Leben davon verspreche, sondern auch, um die Umwelt zu schonen, und damit die Erzeuger von Bioprodukten unterstützt werden. Das ist nicht nur gut für Mutter Erde, denn bestimmt haben auch die Menschen vor Ort ein besseres Leben. 

Oh ja, ich achte sehr auf Siegel in diesen Kategorien, ob Bio Zeichen für Obst und Gemüse, Leckeres aus der Region, oder das MSC (Marine Stewardship Council) Label auf Fischverpackungen, die mir signalisieren, das hier weder Flipper abgemurkst wurde, um Thunfisch in die Dose zu bekommen, noch Fischbestände leergefegt werden, und damit vom Aussterben bedroht sind. Umweltgütesiegel gibt es nahezu auf allen Produkten unseres täglichen Lebens, vom Klopapier mit Engeln drauf, über unsere Möbel und Textilien, bis hin zum Biosprit an der Tanke. 

Wer es sich irgendwie leisten kann, macht da mit, und wir fühlen uns doch gut dabei, oder? 

Dieses satte, zufriedene Gefühl, mehr für unseren Planeten zu tun als andere, ignorante, unwillige, unverbesserliche, oder einfach unsensible Waldmenschen, denen das Wohlergehen unserer Kinder, deren Kinder und Kindeskinder völlig egal zu sein scheint. Innerlich schütteln wir da den Kopf und denken, "Jetzt müssen wir die Suppe auslöffeln, nur weil die alle geizig oder doof sind, oder beides". Stimmungsvoll entrüstet legen wir dann die Biobananen in den mitgebrachten Einkaufskorb, denn wir kaufen keine Plastiktüten, oh nein, wir verwenden schon seit Jahren keine umweltschädlichen Verpackungen mehr, die sich dann zu Müllteppichen auf den Ozeanen ausbreiten, größer als unser ganzen Land, und Todesfalle für Heerscharen von Meeresbewohnern.

Ich knipse jetzt mal das Licht unserer Selbstgerechtigkeit für einen winzigen Moment aus, und sehe mir mein gelebtes Märtyrertum für die Umwelt an. Ich habe die Biosiegel kontrolliert, mir die Fischereibedingungen angesehen, über die Möbelindustrie recherchiert, unsere Textilien auf Links gezogen, und sogar vor Biosprit und der Kosmetikabteilung nicht Halt gemacht. Wäre ich jetzt der sonnengebräunte Typ, hätte sich meine Gesichtsfarbe in "Nullkommanix" in aschgrau verwandelt. 

Mein Bioobst, eben noch heiß geliebt, entpuppt sich als Umweltsünder. Die lieblichen Äpfel werden mit Containerschiffen aus Übersee transportiert, die mit extrem umweltschädlichem Schweröl über die Weltmeere schippern, und dabei 70 Prozent aller Lebensmittel der Erde transportieren. Die 15 größten Containerschiffe verursachen einen Schwefeldioxidausstoß der 800 Millionen PKWs entspricht, und da reden wir noch nicht mal von Ruß und anderen krebserregenden Schadstoffen.

Etwa 90.000 Schiffe bewegen sich auf unseren Meeren. Natürlich werden Lebensmittel,  die nicht so lange lagerfähig sind mit Flugzeugen herangeschafft, und die fliegen auch nicht mit heißer Luft. Holz für Möbel wird auch gerne mal falsch deklariert, und kommt für die Möbelgiganten und Papierindustrie unserer Neuzeit aus den schönen neuen EU Ländern wie Bulgarien und Rumänien, denn da fragt keiner so genau nach, nur, falls Sie sich auch mal gefragt haben, warum diese Staaten unbedingt in die Europäische Union eingegliedert werden mussten.

Der Fisch in der EU wird mit dem MSC Zeichen versehen, von den unzähligen Tonnen Beifang, die auf keiner richtig geführten Liste auftauchen, spricht niemand, den dieser Beifang steht ja nicht unter Schutz, auch wenn die Vernichtung dieser Lebewesen anderen Meeresbewohnern wieder die Nahrungsgrundlage entzieht. So wird dieser auf hoher See einfach wieder über Bord gekippt. In fast allen unserer verarbeiteten Lebensmitteln oder Kosmetik steckt Palmöl. Das ist ja erstmal nichts Schlimmes, außer wenn man weiß, dass dafür die Urwälder unserer Erde auf Borneo, oder anderswo, brandgerodet werden, um Palmölplantagen zu pflanzen. Dabei sterben dann nicht nur Tierarten wie Orang-Utans (deutsch = Waldmenschen) aus, sondern die Lungen unserer Erde werden für Produkte abgekokelt, nur um ein paar Cent an der Kasse zu sparen. 

Auch der hoch gelobte, und vom Staat verordnete Biosprit wird aus Palmöl gewonnen. Und Textilien? Werden in Europa fast gar nicht mehr hergestellt, und die Bedingungen im Ausland sind nicht annähernd so, dass wir dafür ein Gütesiegel vergeben würden, egal ob nun im Textildiscounter, oder in der Edelboutique. An einer Luxushandtasche für mehrere tausend Euro ist nicht so viel Leder dran, dass eine Kuh dieses überhaupt bemerken würde, wenn man die winzigen Stücke aus ihrem Hinterteil entnehmen würde. Zudem wird das Leder in Ländern verarbeitet, die alleine beim Färben der Produkte ganze Landstriche vergiften, und die Menschen vor Ort gleich mit. Und wo wird das alles produziert? Immer da, wo der billigste Anbieter sitzt, der oft Verträge abschließt, von denen er und seine Familie nicht leben können, ob Bio oder konventionell. 

Lebensmittel, Textilien, Möbel, Kosmetik oder andere Dinge unseres Alltags, fast alles befindet sich in der Hand einiger weniger Marktbeherrscher, und die interessieren sich nicht für unseren Umweltgedanken, sondern für unsere Geldbörse, und was immer auch an Marketing notwendig ist, damit wir unser gutes Gewissen und unser hart verdientes Geld zu ihnen tragen, wird gemacht.

Was können wir dann überhaupt tun? Wenig, fürchte ich, denn essen müssen wir, Bekleidung, Möbel, selbst Kosmetik benötigen wir für das tägliche Leben, aber wir können Fragen stellen. Wir können Marktleiter fragen, Mitarbeiter, Firmen, selbst Politiker müssen wir fragen, und wir müssen selber nachlesen, was auf einer Verpackung wirklich steht, und was dieses dann bedeutet, denn es macht offensichtlich niemand für uns. Aber wir sind nicht ganz alleine, denn es gibt sie, die guten Produzenten, die Arbeit korrekt entlohnen, und die sich um die Erde Gedanken machen, ob als echte Bioerzeuger, wie "Demeter" (nur ein Beispiel), oder als feiner Taschenproduzent wie "Hanford & Römer". 

Wir sollten uns auf die Suche machen, und mit unserem Verhalten die Hersteller dazu bewegen, umzudenken, und wenigstens ab und zu ein paar Euro mehr ausgeben, wenn es sich lohnt. Danke für Ihre Geduld.

Es grüßt Sie mit neuem Wissen, Ihr Arno von Rosen, Buchautor, Koch aus Leidenschaft, und Plastiktütenvermeider – bleiben Sie hartnäckig und informiert.

Fotos: Arno von Rosen


1 Kommentar:

  1. Ein sehr gut recherchierter, interessanter Artikel, der zum Nachdenken anregt... Vielen Dank! Nessy von den happinessygirls.com

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