Gastkolumne Arno von Rosen: Zeit hat eine Geschwindigkeit

Keine Angst, dies wird weder ein Beitrag über Science Fiction oder Isotherik im weitesten Sinne, noch der Versuch Sie mit mathematischen Formeln zu langweilen. Ernsthaft! Es geht um Sie, um Sie ganz alleine. Nicht über die anderen 7 Milliarden Menschen (die haben alle ihr eigenes System) auf dem gesamten Planeten oder auf fremden Welten (okay, den musste ich jetzt doch machen). SIE haben eine individuelle Zeit, die sich weder nach einer Uhr richtet, Ihrem Lebensalter, Ihrer Arbeit oder anderen Vorgaben des täglichen Lebens. Mit einer Ausnahme. Ihrer internen Arbeitsgeschwindigkeit. Ihrem inneren Prozessor (falls Sie jetzt denken, "was schwafelt der Typ da?" - ich meine Ihr GEHIRN).

Auch wenn ich Sie nicht persönlich kenne, werde ich gleich beweisen wie Sie bzw. Ihr Gehirn funktioniert, warum Sie Stress empfinden und wie Ihr bestes Stück (bei Männern wird das sehr häufig verwechselt) funktioniert, zumindest ansatzweise. Als erstes testen wir mal ein bisschen Ihr Wissen über sich selbst. Sollte ja nicht so schwierig sein oder? Wenn Sie mit meinen Antworten zufrieden sind,  nicken Sie leicht und lassen Sie das Kopfschütteln, weil Ihnen die Fragen zu einfach sind, denn dann unterschätzen Sie mich (und dürfen sich dann fragen, ob dies mein Ziel war). Sie sehen mit den Augen! Sie nicken, wie schön :-) Sie hören mit den Ohren, riechen mit der Nase, fühlen über die Haut (wir lassen heute mal den Herzschmerz beiseite) und schmecken mit der Zunge. Sie können aufhören zu nicken, denn Sie haben nichts richtig beantwortet.

Meine liebe Dr. Nessy ist ja bekanntlich vom Fach und reibt sich vor Vergnügen sicher schon die Hände, aber es gibt eine einfache Antwort. Alle Ihre Sinnesorgane sind nur Abtaster der Realität und zwar nur Ihrer eigenen und die ist nicht zwangsläufig die allgemeingültige Realität, denn die gibt es nicht! Ob Augen, Ohren, Haut, Zunge oder Nase, all diese liebgewonnen Ausstattungen sind nichts weiter als Messinstrumente, welche mit ungeheurer Geschwindigkeit elektronische Impulse an Ihr Gehirn weiter geben. In etwa so, wie ein Temperaturfühler am Auto, nur eben besser, viiiiiel besser. Und abgesehen davon, dass wir eigentlich mit der Zunge riechen, stimmen die restlichen Funktionen der Sinne mit unserer Vorstellung überein. Das alleine wäre schon ganz nett (ja ja, ich weiß das nett der kleine Bruder von Sch... ist) würde mich aber keinesfalls zu einem Artikel bewegen. War doch klar oder? 

Außerdem wäre ich ja nicht leidenschaftlicher Koch, wenn ich nicht unser täglich Brot mit einfließen lassen könnte. Wir alle haben unsere Lieblingsspeisen. Die verbinden wir mit besonderen Erlebnissen, ob in der Kindheit oder auch im späteren Leben und immer wenn wir diesen Geruch (von mir aus auch Duft, ich kenne ja Ihre Vorlieben nicht) wahrnehmen, vermittelt er uns ein Glücksgefühl, denn dann werden Endorphine ausgeschüttet (Körpereigene Glückshormone). Das geht vom leckeren Schnitzel über Eissorten und Omis Kuchen, bis zu einer Dose kalter Ravioli (Tim Mälzer). Dabei muss dieses Lieblingsgericht nicht jedem schmecken und bei anderen kann das sogar leichte Würgereflexe auslösen (kalte Ravioli aus der Dose? Ernsthaft?!), aber wie kam es dazu? Sie liegen schon ganz richtig, denn bei Omis Kuchen habe ich natürlich mit dem ganzen Zaun gewunken, gelle!? 

Unser Gehirn hat zu diesem besonderen Anlass die Datenmenge exorbitant erhöht und damit Ihre Erinnerung nicht nur viel länger erscheinen lassen, als diese tatsächlich gedauert hat, sondern dieses Erlebnis wurde Umfangreich abgespeichert (weil es vielleicht ein sehr glücklicher Moment war). Wenn Sie so wollen hat Ihr Gehirn einen kompletten Scan durch alle Ebenen durchgeführt ohne auf den Speicherplatz Rücksicht zu nehmen und weil die Datenmenge so gewaltig war, haben die Gehirnzellen länger benötigt, als bei den oberflächlichen Abtastungen in Alltagssituationen, wie einem schnellen Imbiss oder dem Brötchen auf der Hand. Die gute Nachricht ist, Sie können Ihren Speicherplatz niemals aufbrauchen und Sie benutzen immer Ihr ganzes Gehirn und nicht nur 5 %, wie gerne mal erzählt wird. Abgesehen davon ist unsere graue Masse das komplexeste Ding was die Menschheit im gesamten bekannten Universum bisher erforscht hat, natürlich nur einen winzigen Bruchteil davon.

Übrigens gefallen uns schwarz/ weiß Aufnahmen besser (unterbewußt), als Farbaufnahmen. Diesen Umstand haben wir ebenfalls unserem Gehirn zu verdanken, denn es kann bei mit ohne Farbe mehr Informationen verarbeiten und deshalb kommen uns solche Bilder oft Detailreicher vor. Und überhaupt verarscht Sie Ihr Gehirn wo es nur geht, denn es setzt automatisch Informationen ein, die Sie nicht wirklich gesehen haben und so fällt Ihnen überhaupt nicht auf, ob sich auf der Strecke zur Arbeit etwas verändert hat. Diese Information hält Ihr Gehirn für irrelevant und überblendet die fehlenden Teile eigensinnig in Ihren Live-Stream, was Ihr Leben stressfreier macht. Fahren Sie allerdings eine neue Strecke, welche Sie noch nie benutzt haben, fährt Ihre Gehirn die Leistung sofort hoch, was einer späteren Orientierung dienen soll (funktioniert bei Frauen wohl nicht richtig). Das ist dann negativer Stress, den Sie aber wieder vergessen. Positiver Stress wäre die lange Fahrt in den Urlaub und da setzt Ihr Gehirn gerne einen ausgiebigen Marker und Sie können damit dann noch Ihre Enkel langweilen. Dasselbe Prinzip gilt auch für globale Ereignisse wie dem 11. September 2001, wo so ziemlich jeder weiß, wo er sich aufgehalten hat und was gerade getan wurde.

Was haben wir noch? Unfälle, zum Beispiel, kommen uns aus diesem Grund auch ewig vor, weil unser Gehirn auf Vollleistung stellt und deshalb haben wir das Gefühl unser Leben zieht an uns vorbei oder wir können sogar aktiv entscheiden doch noch unsere Körperposition zu ändern, um uns nicht so schwer zu verletzen, was übrigens wirklich funktioniert, nur eben nicht generell, sondern nur bei bestimmten Gehirnen, die entweder stark trainiert oder von Geburt an für mehr Geschwindigkeit ausgelegt sind. Woher ich das weiß? Letztes Jahr durfte ich an einer Forschungsstudie der Uni Marburg teilnehmen, die mein Gehirn unter Volllast während einer Kernspintomographie aufgezeichnet hat. Das hat mit allen Test einen halben Tag gedauert ohne jegliche Pause. In der Röhre selber musste ich Aufgaben lösen, Gedächtnisübungen absolvieren usw. was bei diesem ständigen Krach wirklich anstrengend war. Je nach Aufgabengebiet lag mein IQ zwischen piep und piep*, was einen ja in meinem fortgeschrittenen Alter durchaus freut.

Die Punktzahl ändert sich übrigens auch, je nachdem wie häufig das Gehirn trainiert wird, also nicht dauernd RTL II gucken, gelle! Mein Talent hat übrigens viel damit zu tun, dass mein Gehirn viel mehr aufzeichnet als gewöhnlich, weshalb ich öfter Ruhephasen benötige, um diese Daten alle zu verarbeiten, aber irgendwas ist ja immer

Mein Zitat von heute stammt von Christian Morgenstern (1871-1914) deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer.

 Arno von Rosen
"Jeder Menschenkopf ist eine Sonne, und seine Gedanken sind die überall hindringenden unsichtbaren Strahlen. Könnten wir sie, wie bei der Sonne, mit unseren leiblichen Augen schauen, so würden sie uns in ihrer Gesamtheit erscheinen wie ein großer Lichtkreis, an dessen Ausdehnung und Leuchtkraft leicht zu erkennen wäre, einen Stern wievielter Größe wir vor uns haben.“

Es grüßt Sie Ihr kopflastiger und bauchfühliger Arno von Rosen, Buchautor, Kolumnist, Blogger und Brillenträger (sieht alleine schon sehr intelligent aus). Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte an jemand anderes, bei übriggebliebenen Antworten empfehle ich Günther Jauchs Wissenssendung!

*piep ersetzt die Zahlen piep und piep aus Nichtangebenwollengründen ...



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